Jesus sagt: Gib jedem, der dich um etwas bittet, und weise den nicht ab, der etwas von dir leihen will. (Mt. 5, 42)

 

Liebe Leser,

 

wir Deutschen unterscheiden zwischen Besitz und Eigentum. Ich will es erklären: wenn ich in der Stadtbücherei Frankfurt ein Buch ausleihe, kann ich es vier Wochen lang behalten. Es ist in meinem Besitz, aber es gehört mir nicht. Es gehört der Bibliothek. Wenn ich im Urlaub zwei Wochen lang ein Fahrrad miete, besitze ich es für meine Ausflüge. Aber es gehört mir nicht. Ich muss es nach der Vertragsdauer wieder zurückgeben. Sonst ist es gestohlen. Was ich ausgeliehen habe, soll ich wieder so zurückgeben, wie ich es bekommen habe.

 

Ist das ganze Leben eine Leihgabe? Der deutsche Showmaster Heinz Schenk ( + 2014) hat gesungen: „Es ist alles nur geliehen“. Das Lied beginnt so: „Es ist alles nur geliehen hier auf dieser schönen Welt. Es ist alles nur geliehen, aller Reichtum, alles Geld. Es ist alles nur geliehen, jede Stunde voller Glück. Musst du eines Tages gehen, lässt du alles hier zurück.“

 

Obwohl ich kein Fan dieses Schauspielers bin, entdecke ich in diesen Zeilen eine biblische Wahrheit. Alles ist Gottes Leihgabe. Wir besitzen zum Beispiel Gesundheit, aber sie gehört uns nicht. Manchmal wird sie uns ganz schnell wieder genommen. Wir besitzen Wohlstand. Auch er kann uns sehr schnell genommen werden. Wir leben im Frieden, er kann uns genommen werden. Wir leben im Glück, und wir können es von einer Stunde auf die andere verlieren. Alles ist geliehen auf Zeit.

 

Dorfkirchen sind oft umgeben vom Friedhof. Wer sonntags zum Gottesdienst geht, muss erst an Gräbern vorbei. Das erinnert daran, dass das Leben vergänglich ist. Geliehene Zeit. Von Gott geliehene Zeit.

 

Im Gleichnis vom anvertrauten Geld (Lukas-Evangelium, Kap. 19, 11 f) erinnert Jesus daran, verantwortlich mit den Gaben umzugehen, die uns Gott anvertraut hat. Dazu gehören nicht nur Geld und Besitz, Gesundheit und Frieden. Dazu gehören auch die besonderen Gaben des Heiligen Geistes (1.Korinterbrief Kap. 12, 4 - 7). „Es gibt verschiedene Gaben, doch ein und derselbe Geist teilt sie aus. Es gibt verschiedene Dienste; doch ein und derselbe Herr gibt den Auftrag dazu. Es gibt verschiedene Fähigkeiten, doch ein und derselbe Gott schafft sie alle. Was nun der Geist Gottes in jedem einzelnen von uns wirkt, das ist zum Nutzen aller bestimmt.“

 

Gott gibt diese Gaben. Wir dürfen sie besitzen. Sie sind ein Geschenk auf Zeit. Aber sie sind nicht für uns selbst da, sondern zum Nutzen für andere Menschen. Gott gibt sie uns, damit die ganze Gemeinde davon profitiert. Vor diesem Hintergrund verstehe ich das Wort Jesu „Gib jedem, der dich um etwas bittet, und weise den nicht ab, der etwas von dir leihen will.“ Weil mir selbst alles nur auf Zeit verliehen ist, soll ich es mit anderen teilen. Weil es nicht mein Eigentum ist, sondern weil ich alles nur besitze, soll ich meine Gaben mit anderen großzügig teilen.

 

Leider kann ich von meiner Gesundheit einem Kranken nichts abgeben. Das geht leider nicht. Aber ich kann meine Zeit und Kraft mit dem Kranken teilen. Ich kann trösten. Ich darf jede Gabe, die mir Gott schenkt, für andere einsetzen. Ich darf alles, was mir Gottes Geist verleiht, mit anderen teilen.

Gott gibt reichlich! Damit wir anderen Gutes tun können. Damit wir eine Not lindern können. Weil Gott großzügig ist, sollen wir es auch sein! Was wir haben, ist geliehen auf Zeit. Nutzen wir also die Zeit. Nutzen wir die Gaben, die Gott uns schenkt.

 

Was wir anderen Menschen geben, bekommen wir manchmal ganz anders zurück. Ich bekam manches zurück durch ein dankbares Wort. Durch leuchtende Augen. Durch eine stille Umarmung. Das waren Augenblicke des Glücks.

 

Ich mache Ihnen Mut, ein fröhlicher Geber zu werden: „So soll jeder für sich selbst entscheiden, wie viel er geben will, und zwar freiwillig und nicht aus Pflichtgefühl. Denn Gott liebt den, der fröhlich gibt.“ (2. Korinther 9, 7)!

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